Syphilis: Schnelltests ermöglichen eine früh einsetzende Behandlung
Aktuelles zu Diagnostik, Therapie und antibiotischer Chemoprophylaxe
Die Syphilis, eine fast ausschließlich sexuell übertragene Infektion durch Treponema pallidum ssp. pallidum, verläuft unbehandelt in bis zu drei Stadien und zeigt eine außerordentlich vielfältige klinische Symptomatik. Primäre Symptome am Infektionsort (meist indolente exulzerierende Papeln mit regionaler Lymphadenopathie an genitoanalen oder oralen Schleimhäuten) und sekundäre Symptome aufgrund von Bakteriämie und ggf. neurologischer Beteiligung beschäftigen aufgrund ihrer Variabilität nicht nur Dermatologinnen und Dermatologen, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen der Gynäkologie, der Urologie, der HIV-Schwerpunktmedizin, der Neurologie, Infektiologie, Pädiatrie und das ärztliche Personal im öffentlichen Gesundheitsdienst.
Im Gegensatz zu den anderen STI besteht für die Syphilis und die HIV-Infektion eine bundesweite Meldepflicht. Neuinfektionen werden nach dem Infektionsschutzgesetz nichtnamentlich an das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin gemeldet. Die dort ausgewerteten und jährlich im Epidemiologischen Bulletin veröffentlichten Daten zeigen (mit wenigen Ausnahmen) einen stetigen Anstieg der Neuerkrankungen in den letzten 20 Jahren. Nach einem durch die COVID-19 Pandemie bedingten kurzen Rückgang stiegen die Neuinfektionen 2022 um 23% auf 8.310 gemeldete Fälle. Betroffen sind vor allem Männer (94%). Die Syphilis connata (Übertragung von der schwangeren Mutter auf das Kind) ist aufgrund der obligaten Schwangerenvorsorge fast völlig verschwunden.
Klinisch auffällig ist eine Zunahme von Fällen mit plötzlichem Hörverlusten und Gesichtsfeldeinschränkungen, die als Oto- bzw. Ophthalmosyphilis diagnostiziert und der Neurosyphilis zugeordnet werden (s.a. aktualisierte S1-Leitlinie Neurosyphilis der Deutschen Gesellschaft für Neurologie).
Diagnostik: Erregernachweise und Serodiagnostik der Syphilis werden in der S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Syphilis ausführlich besprochen. Die Dunkelfelddiagnostik wird heute durch Nukleinsäureamplifikationsverfahren (NAAT) ersetzt. Abstriche aus genitalen Ulzera u.a. Hautläsionen lassen sich mit einer Multiplex-PCR auf bis zu 9 verschiedene STI-Erreger in wenigen Stunden untersuchen. Zur Serodiagnostik wurden Syphilis-Schnelltests (point-of-care Tests) entwickelt, die als Suchtests meist schon innerhalb einer Stunde Syphilis-Antikörper nachweisen können.
Der bisherige Standardsuchtest (TPPA oder TPHA-Test) wird in Kürze nicht mehr verfügbar sein. Die Produktion wird eingestellt. Als Ersatz werden derzeit verschiedene polyvalente IgM/IgG Tests mit rekombinanten Antigenen validiert (Sensitivität bei Frühsyphilis und Seronarben).
Therapie: Seit Jahrzehnten ist Penicillin als intramuskuläres Depotpräparat (Benzathin-Benzylpenicillin, BBP) und als wässriges i.v. Präparat (kristalloides Penicillin G) Therapie der Wahl der Syphilis. Präparat und Dosierung richten sich nach dem Stadium der Erkrankung (BBP bei Früh- und Spätsyphilis) und dem klinischen Bild (wässriges Penicillin G bei Syphilis connata, Neurosyphilis). Details zur Dosierung finden sich in der Syphilisleitlinie sowie im Leitfaden STI-Therapie. Als Alternativen stehen Ceftriaxon und Doxycyclin zur Verfügung (Doxycyclin nicht bei Schwangeren und Kindern <8 Jahren!). Makrolidantibiotika wie Azithromycin und Erythromycin gehören wegen Resistenzen (Punktmutationen in der 23S rRNA von Treponema pallidum) nicht mehr zum Standardrepertoire der Syphilisbehandlung. Bei Schwangeren mit Syphilis und Penicillinallergie kann die Möglichkeit einer Toleranzinduktion mit Penicillin erwogen werden (s. Addendum 1/2021 zur Syphilis-Leitlinie).
Prophylaxe. Diverse klinische Studien mit Syphilis-Impfstoffen mussten wegen unzureichender Effektivität abgebrochen werden. Es steht weiterhin keine wirksame Vakzine zur Verfügung.
Als Alternative zum Gebrauch von Kondomen, der vielfach abgelehnt wird, wurde eine medikamentöse Syphilis-Prä-Expositionsprophylaxe getestet. Diese sogenannte „Doxy-PrEP“ ist eine antibiotische Chemoprophylaxe der Syphilis für Personen mit hohem Infektionsrisiko (mehrmalige Vorerkrankung an Syphilis, große Zahl wechselnder Sexualpartner). In zwei Studien wurde entweder Doxcyclin 100mg /d täglich oder jeweils bis 72h nach Risikokontakten einmalig 200mg p.o. eingesetzt. In beiden Verumgruppen konnte eine Abnahme der Syphilis-Neuinfektionen gezeigt werden. Wegen der bestehenden Risiken wie Unverträglichkeitsreaktionen auf Doxycyclin (gastrointestinal, allergisch und phototoxisch) und wahrscheinlicher Zunahme der Tetrazyklinresistenzen anderer STI-Erreger (Chlamydien, M. genitalium), ist die Nutzen-/Risikoabwägung der „Doxy-PrEP“ allerdings letztlich noch nicht entschieden.
Autor:
Prof. Dr. med. Helmut Schöfer, Fachbereichsleiter Dermatologie, DKD Helios Klinik Wiesbaden und Leiter der Sektion Leitlinienarbeit der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG), helmutschoefer.ni(at)gmail.com
Literatur:
Konsiliarlabor für Treponema Diagnostik der Syphilis
Leitfaden STI-Therapie und -Prävention: kostenlos über die Geschäftsstelle der DSTIG; online über die Homepage der DSTIG
Neurosyphilis-Leitlinie der DGN
S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Syphilis

