Impfen und Impfaufklärung in der dermatologischen Praxis

Prävention von STI durch Impfungen (Hepatitis A, Hepatitis B, HPV & Co.)
Prävention bedeutet, die Krankheitslast in der Bevölkerung durch gezielte Maßnahmen zu verringern. Impfungen werden hierzu weltweit mit großem Erfolg eingesetzt. Dies gilt insbesondere auch für sexuell übertragbare Infektionen wie Hepatitis A und B und Humane Papillomviren (HPV). Obwohl Herpes zoster keine sexuell übertragbare Infektion ist, spielt die Erkrankung als Differentialdiagnose zur Herpes-simplex-Infektion in der dermatologischen Praxis eine große Rolle. Bisher beteiligen sich hier nur wenige Dermatologinnen und Dermatologen, obwohl sie häufig Kontakt zu den (jungen) Zielgruppen haben. Oft sind die Indikationen nicht bekannt oder es bestehen Bedenken bezüglich möglicher Nebenwirkungen oder der Abrechnungsmöglichkeit.
Humane Papillomviren HPV
Infektionen durch Humane Papillomviren (HPV) gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Seit 2006 sind HPV-Impfstoffe zugelassen. Die Impfung ist wirksam, verträglich und hierzulande für Mädchen und Jungen von 9-14 Jahren empfohlen. Erst seit 2018 wird sie für Jungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Nachholimpfungen werden bis zum 18. Lebensjahr von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen.
Der aktuell empfohlene Impfstoff ist nonavalent (HPV 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52, 58). Die gebildeten HPV-Antikörper richten sich gegen das Kapsidprotein von HPV und verhindern dadurch präventiv typspezifisch eine HPV-Neuinfektion.
Im Alter von 9-14 Jahren reichen 2 Impfdosen im Abstand von 5 Monaten, ab dem 15. Lebensjahr werden 3 Impfdosen empfohlen. Wenn bisher noch nicht mit dem nonavalenten Impfstoff geimpft wurde, reicht eine Auffrischung, um den Schutz gegen alle 9 Typen zu erreichen. Die Impfquote in Deutschland ist steigend, aber im internationalen Vergleich noch schlecht. Nur 50,4% der 14-jährigen Mädchen und 25% der 14-jährigen Jungen waren 2021 vollständig HPV geimpft. Mehrere australische Publikationen bestätigen die hohe Wirksamkeit der Impfung auch im „Real Life Setting“.
Auch bei älteren Patienten kann eine Impfung sinnvoll sein, z.B. vor geplanter Immunsuppression oder Änderungen des Beziehungsstatus. Ab dem vollendeten 18. Lebensjahr muss vor der Impfung die Kostenübernahme mit der Krankenkasse geklärt werden. Oft werden die Impfkosten bis zum 27. Lebensjahr problemlos erstattet, bei älteren Patienten sind ausführlichere Begründungen nötig.
Hepatitis B (HBV)
Hepatitis B wird durch Blut- oder Sexualkontakt übertragen. Die Hepatitis-B-Impfung wird von der STIKO als Standardimpfung für alle Kinder empfohlen. Bei vielen Erwachsenen besteht eine Impfindikation (z.B. bei Immunsuppression, Lebererkrankungen, Sexualpraktiken mit erhöhtem HBV-Übertragungsrisiko). Nach Grundimmunisierung als Kind haben 14% Anti-HBs-Werte von > 100 IU/l, 46% von 10–99 IU/l und 40% hatten Anti-HBs-Werte < 10 IU/l. Bei Gabe von einem einmaligen Booster erreichten diejenigen mit unzureichenden Antikörpertitern (Anti-HBs-Werte < 100 IU/l) schnell die gewünschte Antikörperzahl, was trotz anfangs niedriger Anti-HBs-Werte auf eine ausreichende Immunisierung nach abgeschlossener Grundimmunisierung hinweist.
Hepatitis A
Hepatitis A wird orofäkal übertragen. Die Impfung gegen Hepatitis A ist eine Indikationsimpfung für Personen beispielsweise mit Lebererkrankungen, einem Sexualverhalten mit Infektionsgefährdung (z.B. Analverkehr) oder in Gemeinschaftseinrichtungen.
Der monovalente Impfstoff soll in 2 Dosen im Abstand von 6–12 Monaten verabreicht werden. Bei Verwendung des bivalenten Hepatitis-A/B-Impfstoffs sollte die 2. Dosis einen Monat nach der 1. Impfung appliziert werden und die 3. Dosis frühestens 6 Monate nach der Erstimpfung.
Nebenwirkungen und Kontraindikationen bei Impfungen
Zu den üblichen Impfnebenwirkungen gehören Rötung <10cm und Schmerzen an der Einstichstelle, sowie ggf. Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Fieber innerhalb der ersten 3 Tagen. Schwere Impfreaktionen (z.B. Anaphylaxie) sind extrem selten.
Alle hier genannten Impfstoffe sind sogenannte Totimpfstoffe. Sie dürfen auch bei Immunsuppression verabreicht werden, wenn auch zum Teil die Wirkung reduziert ist.
Banale Infektionen, atopisches Ekzem oder Psoriasis sind keine Kontraindikationen für Schutzimpfungen!
Mpox
Seit Mai 2022 wurden in Deutschland ca. 3.700 Mpox Fälle gemeldet. Für eine Übertragung des Erregers ist ein enger körperlicher Kontakt erforderlich. Die Übertragungen sind in erster Linie im Rahmen von sexuellen Aktivitäten erfolgt, insbesondere bei Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern (MSM) haben (weniger als 1% der Fälle betrafen Frauen, Jugendliche oder Kinder). Die Ausweitung der Epidemie konnte durch den Einsatz des ursprünglich für die „echten Pocken“ zugelassenen Impfstoffes eingedämmt werden. Es werden 2 Dosen des Lebendimpfstoffes im Abstand von mindestens 3 Wochen verabreicht. Wenn in der Kindheit bereits geimpft wurde und keine Immunsuppression vorliegt, reicht eine Auffrischungsimpfung. Aktuell wird die Impfung für MSM mit häufig wechselnden Partnern, Personal in Speziallaboren und als Postexpositionsprophylaxe (auch für medizinisches Personal) empfohlen.
Meningokokkenimpfung und Gonorrhoe
Meningokokken B-Impfungen sind insbesondere bei Immunsuppression empfohlen. (Die gramnegativen Bakterien können Hirnhautentzündung und Sepsis hervorrufen. Es gibt eine STIKO-Empfehlung gegen Meningokokken der Serogruppe ACWY für alle Kinder im 2. Lebensjahr; eine generelle Empfehlung für die Meningokokken B-Impfung gibt es aufgrund der insgesamt niedrigen Krankheitslast derzeit nicht.) Anlässlich von 5 Meningokokkenerkrankungen 2012 bei MSM in Berlin wurde die Empfehlung zur Meningokokkenimpfung auf diese Gruppe (insbesondere bei gleichzeitiger HIV-Infektion) ausgeweitet. Eine gewisse Kreuzreaktivitität gegen Neisseria gonorrhoea wurde immer wieder postuliert, so dass hier ein zusätzlicher Nutzen vorliegen kann. In aktuellen Impfstudien werden spezifische Gonokokkenimpfstoffe getestet.
Herpes zoster
Personen über 60 Jahre und immunsupprimierte Patienten ab dem 50. Lebensjahr sollten laut STIKO zweimal (2. Impfung nach 2-6 Monaten) mit dem Totimpfstoff geimpft werden.
Nach Antrag auf Kostenübernahme ist entsprechend der Zulassung auch schon bei jüngeren Personen bei (geplanter) Immunsuppression eine Impfung möglich und sinnvoll.
Fazit für die Praxis
Impfen ist die beste Prävention. Nutzen Sie den Kontakt vor allem mit jungen Patientinnen und Patienten und werben Sie für den Impfschutz – auch vor sexuell übertragbaren Infektionen. Die Prävention und Therapie von STI ist seit jeher eine bedeutende Säule des Faches Dermatologie. Jede approbierte Ärztin/jeder approbierter Arzt darf impfen. Der Nachweis eines Impfkurses ist nicht mehr erforderlich, aber sehr hilfreich, wenn bisher wenig Impferfahrungen vorliegen.
Die aktuellen STIKO-Empfehlungen und STI-Leitlinien sind hilfreich für den „dermatologischen Impf-Alltag“:
Impfkalender der STIKO
Impfkalender in 20 Sprachen
Leitfaden STI- Therapie –Diagnostik und -Prävention
Autorin:
Dr. med. Anja Potthoff, Leitende Ärztin, WIR- Walk In Ruhr, Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr- Universität Bochum