Neuer JDDG-Editor-in-Chief: Interview mit Prof. Roland Kaufmann

Neuer Editor-in-Chief des JDDG
Worfeln und Windsichten medizinischer Fachbeiträge
Ein Gespräch mit Prof. Roland Kaufmann
Akzeptanz von medizinischen Fachzeitschriften als Fortbildungsmittel ist ungebrochen. 92% aller niedergelassenen Fach-, Chef- und Oberärzte nutzen laut LaMed Facharztstudie von 2022 gedruckte Fachzeitschriften als Fortbildungsmöglichkeit. Das ist in erster Linie auf die hohe Qualität der auf Peer-Review-Verfahren basierenden Journale zurückzuführen und auf ein stringentes und effizientes Vorgehen der jeweiligen Herausgebergremien. Welche Kriterien die Auswahl und Begutachtung der eingereichten Beiträge für das JDDG leiten, wie also die Spreu vom Weizen getrennt wird, und wie sich die Zeitschrift in Zukunft weiterentwickeln soll, erklärt Prof. Roland Kaufmann, neuer Editor-in-Chief des JDDG.
Frage: Im April 2024 haben Sie den Staffelstab von Prof. Michael Schön übernommen, der das JDDG mehr als 13 Jahre lang erfolgreich als Herausgeber betreute. Als neuer Editor-in-Chief des JDDG verantworten Sie nun zusammen mit den stellvertretenden Herausgebern Prof.Stephan Grabbe (Mainz), Prof. Rudolf Stadler (Minden) und Prof. Franz Trautinger, (St. Pölten, Österreich) das wissenschaftliche Organ der DDG und der ÖGDV. Welche Erfahrungen haben Sie in den ersten Monaten gesammelt und was sind Ihre Schwerpunkte, um das JDDG weiterzuentwickeln?
Antwort Prof. Roland Kaufmann (RK): Da kann ich eigentlich nur von der Positivseite meiner diesjährigen Erlebniswelt berichten. Zu den Highlights zählte bereits die reibungslose Art und Weise des fließenden Übergangs sämtlicher Verantwortlichkeiten an den neuen Herausgeberstab. Positiv auch die Rückkoppelung in strategischen Fragen mit dem DDG-Vorstand. Ebenso erfreulich ist natürlich die sehr professionelle Betreuung durch den ja unverändert gebliebenen redaktionellen Mitarbeiterstab bei der DDG in Berlin, also die tägliche Organisation zeitnah koordinierter Abläufe und Arbeitszuteilungen durch Ute Pellmann und ihr Team. Anfängliche Berührungsängste mit der Online-Arbeitsplattform hatten sich schnell zerstreut, da hierdurch ganz im Gegenteil jeweilige Zuständigkeiten und der aktuelle Stand der einzelnen Manuskripte im Review-Prozess transparent und quasi „in Echtzeit“ abrufbar ist.
Inhaltlich vertreten wir die Breite der Dermatologie im deutschsprachigen Raum in all ihren wissenschaftlichen und klinischen Aspekten. Diese besondere Attraktivität möchten wir natürlich auch in einer möglichst ausgewogenen Gewichtung publizierter Beiträge widerspiegeln. Zielkorridor bleiben auch zukünftig wissenschaftlich hochwertige Originalarbeiten mit direktem klinischem Bezug oder wegweisender translationaler Forschung, natürlich auch Beiträge mit direkter Praxisrelevanz, wie die Clinical letters oder Diagnose-Quiz-Fallberichte und die wichtigen Übersichtsarbeiten oder Leitlinienbeiträge.
Frage: Alle Mitglieder erhalten das JDDG jeden Monat als umfangreiches, gedrucktes Heft in deutscher Sprache und haben zudem Zugriff auf das gesamte JDDG-Online-Archiv mit allen publizierten Beiträgen (deutsch und englisch). Aber der Workload des Herausgeberteams und der Redaktion ist viel größer als man vermuten mag. Wie viele Beiträge werden pro Jahr eingesandt und müssen von Ihnen/dem Team begutachtet werden?
Antwort (RK): Aus den seit Jahresbeginn auswertbaren Daten an eingereichten Manuskripten lassen sich für 2024 annähernd 900 Einreichungen hochrechnen. Da ist man gut beraten, wenn man sein Pensum täglich in verdaubaren Portionen bewältigt. Den größten Anteil machen dabei Clinical Letters aus, gefolgt von Originalarbeiten und den Diagnose-Quizzen. Reviews und Mini-Reviews waren vergangenes Jahr mit etwas über 20 Beiträgen etwa gleichstark vertreten. Rückblickend auf 2023 ist aus der Gesamtzahl eingegangener zu den letztlich akzeptierten Arbeiten eine Relation von ca. 3:1 ableitbar. Das entspricht meinem bisherigen Eindruck, wonach etwa nur ein Drittel der Einreichungen unseren Begutachtungsprozesse als letztlich publikationstauglich besteht.
Frage: Das ist ein immenses Arbeitspensum. In der Landwirtschaft sprach man früher von Worfeln und Windsichten, um die Getreidekörner von der Spreu zu trennen. Wie macht man das bei medizinischen Fachbeiträgen, die zudem in dieser Fülle eingereicht werden? Welche Kriterien sind maßgeblich?
Antwort (RK): Beim Worfeln und Windsichten kommt es ja auf Gewicht und Windstärke an. Falls in einer Arbeit nichts Gewichtiges steht, wird sie allerdings nicht einfach passiv ohne weiteres Zutun wie der Spreu vom Winde verweht. Sie muss vielmehr einen leider oft zeitraubenden und mehrstufigen Prozess der quasi sequentiellen Qualitätskontrolle durchlaufen. Eine Vorsichtung durch das Herausgeberteam oder automatisierte Prüfprozesse (z.B. Plagiatsprüfung) kann hierbei im Falle untauglicher oder für unsere Fachrichtung weniger geeigneter Arbeiten bereits zu deren direkter Zurückweisung führen. Auch bei zunächst interessant oder originell erachteten Arbeiten werden viele dennoch durch das mehrstufige Gutachterverfahren, also durch unsere Experten auf der Beratungsebene der Rubrikenleitungen und der Reviewer abgewiesen. Insofern ist das Peer-Review mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen und häufig mehrfacher Prüfung schrittweise verbesserter Manuskripte ein lohnender Prozess und letztlich Garant dafür, dass in einer Art Worfeln tatsächlich am Ende nur gewichtige Manuskripte im volumenmäßig begrenzten Korb des JDDG geerntet werden.
Frage: Wie ordnen Sie die Qualität der eingereichten Beiträge insgesamt ein?
Antwort (RK): Tatsächlich erscheinen die meisten Arbeiten auf den ersten Blick thematisch interessant und in gutem Stil abgefasst. So braucht es zur Erkennung qualitativer Schwachstellen oder inhaltlicher Mängel oft einen zweiten Blick, der auch auf den fachlichen Bezug und letztlich die Attraktivität für unsere Leserschaft achten sollte. Wir haben dabei aber eher eine Art Qual der Wahl und damit den Vorteil, doch insgesamt aus dem Vollen schöpfen zu können und dabei nur die wirklich aussichtsreichsten Arbeiten in den Reviewprozess einzuspeisen. Oft werden auch für uns weniger geeignet erscheinende, aber dennoch hochwertige Manuskripte dem Verlag und den Autoren zur Einreichung bei einem anderen Journal weiterempfohlen.
Fragen: Welche Empfehlungen geben Sie vor allem jüngeren Autorinnen und Autoren, die im JDDG publizieren möchten?
Antwort (RK): Es ist nie zu früh, mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten anzufangen und sich an die entsprechende Ausdrucksart knapp gehaltener Formulierungen zu gewöhnen, um Kernbotschaften klar fokussiert und verständlich zu vermitteln. Gewöhnlich macht man das ja anfangs in Ko-Autorenschaften. Enorm wichtig ist dabei sicherlich ein Mentorship durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen, da es nicht damit getan ist, die Autorenrichtlinien zu befolgen, sondern neben Umfang und Format vor allem Inhalt und Stil entscheiden. Bevor man schreibt, ist es natürlich auch ganz hilfreich, regelmäßig hochwertige Artikel (am besten natürlich aus dem JDDG!) zu lesen.
Frage: Gleich zu Beginn Ihrer Herausgebertätigkeit gab es die alle zwei Jahre aktualisierten Zahlen zum Impact Factor. Mit erfreulichen 5,5 gehört das JDDG zu den besonders erfolgreichen dermatologischen Fachzeitschriften. Welche Bedeutung hat der Journal Impact Faktor?
Antwort (RK): Unsere vergleichsweise recht hohe und jüngst sogar nochmals gestiegene Bewertung verdanken wir der erfolgreichen Worfelei unserer Vorgänger, also dem Team um Michael Schön. Das erhöht natürlich sehr die Anziehungskraft des Journals für Schreibende und Leserschaft und ist letztlich Garant für höherwertige Einreichungen. Das erzeugt eine Art Positivspirale, die wiederum den Impakt-Faktor und damit auch die internationale Sichtbarkeit unseres ja keinesfalls auf deutschsprachige Autorengruppen begrenzten Journals steigern wird. So werden heute bereits Beiträge aus 40 verschiedenen Ländern eingereicht, wobei die meisten Manuskripte außerhalb des deutschsprachigen Raums aktuell aus Spanien und den asiatischen Staaten kommen.
Frage: Wie kann es gelingen, das hohe Niveau der Beiträge nicht nur zu halten, sondern die Wahrnehmung des JDDG noch weiter zu erhöhen?
Antwort (RK): Zum Erhalt oder gar zur weiteren Steigerung eines hohen Impact-Faktors und damit zur Sicherstellung unserer Attraktivität ist es in erster Linie wichtig, dass die im JDDG publizierten Beiträge besonders häufig zitiert werden. Insofern kann ich auch nur fortgesetzt an alle Autorinnen und Autoren unter uns appellieren, bei eigenen Publikationen auch in anderen Fachzeitschriften, unbedingt auch passende JDDG-Artikel aus den jeweils zurückliegenden zwei Jahren zu zitieren.
Frage: Wie ordnen Sie das JDDG, das mit seinen 21 Jahren eine junge dermatologische Fachzeitschrift ist, in der Verlagslandschaft der dermatologischen und venerologischen Journals ein? Was ist das Besondere am JDDG?
Antwort (RK): Mit 21 Jahren ist man ausgewachsen, gilt in den meisten Ländern dieser Welt als volljährig und hat seine individuellen Tugenden ausgeprägt, wenngleich vom Reifungsprozess meist noch Luft nach oben ist. Auch das JDDG ist inzwischen erwachsen, hat sich dabei sehr positiv behaupten können und kann auf eine stolze Bilanz verweisen. Wir sind klar die Nummer eins unter den etablierten dermatologischen Publikationsorganen im deutschsprachen Raum und können uns auch im internationalen Vergleich sehen lassen. Hier werden wir alles daran setzten, auch auf diesem Parkett noch weiter zu reifen. Besonders reizvoll ist natürlich auch, dass wir die einzigartige Vielfalt eines im deutschsprachigen Raum historisch gewachsenen Faches widerspiegeln und damit eine Dermatologie, um die uns viele beneiden.
Vielen Dank für das Gespräch!
