Infektionen mit multiresistenten Neisseria gonorrhoeae-Isolaten in Deutschland 2025

Antibiotikaresistenz und Auswirkungen auf die Therapieempfehlungen
Gastbeitrag von Dr. Susanne Buder, Berlin
Die Gonorrhoe ist nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2020 mit 82,4 Millionen Fällen global die zweithäufigste sexuell übertragbare bakterielle Infektionskrankheit. Hervorgerufen wird sie durch das humanspezifische, gramnegative Bakterium Neisseria gonorrhoeae und tritt hauptsächlich an Schleimhäuten des Urogenitaltrakts, des Analkanals, des Pharynx und der Bindehaut auf. Aufsteigende Infektionen können zu einer PID (pelvic inflammatory disease) oder, im Falle einer hämatogenen Ausbreitung, zu einer disseminierten Gonokokkeninfektion führen. Der klinische Verlauf ist häufig asymptomatisch, was für Persistenz und Übertragung von Gonorrhoe entscheidend ist.
Die zunehmende Antibiotikaresistenz ist ein globales Problem bei Behandlung und Kontrolle der Gonorrhoe. Seit 2020 besteht in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz § 7.3. für resistente Isolate eine nichtnamentliche Labormeldepflicht. Diese soll zukünftig auf alle Nachweise von N. gonorrhoeae erweitert.
Die derzeitige Resistenzsituation in Deutschland wird anhand eines probenbasierten, phänotypischen und genotypischen Surveillanceprojektes durch das Robert Koch Institut (RKI) überwacht. Für Ceftriaxon blieb die Resistenzlage von 2014–2024 mit 0–0,2 % stabil, ebenso für Cefixim (0,3–1,9 %), zuletzt (2023/24) auf niedrigem Niveau. Azithromycin-Resistenzen nahmen seit 2018 kontinuierlich zu und erreichten 2023 25,5 %, wobei nur vereinzelt high-level resistente Stämme (MHK >256 mg/L) nachgewiesen wurden. 2024 sank die Rate auf 16,7 %. Ein Trend, der weiter zu beobachten ist. Gegenüber Ciprofloxacin (54–72 %) und Penicillin (13–29 %) blieben die Resistenzraten durchgehend hoch. Für Tetrazyklin zeigen Surveillance-Daten seit 2018 sehr hohe Resistenzen von 78–96 %. Im internationalen Vergleich finden sich ähnliche Resistenzsituationen in Europa und Nordamerika mit einigen regionalen Abweichungen. In Großbritannien ist z.B. ein Zirkulieren von high-level Azithromycin-resistenten Stämmen bekannt. In den letzten Jahren wurde weltweit die Bedrohung durch einen potenziell unbehandelbaren multiresistenten Erreger (MDR-NG) diskutiert. Ceftriaxon- und Multiresistenz sind im asiatischen Raum, z.B. in China, Vietnam und Kambodscha bekannt. Deshalb sollte stets eine Reiseanamnese erhoben werden. In Deutschland kam es in den letzten beiden Jahren zum vereinzelten Nachweis importierter Infektionen mit Ceftriaxon- und Multiresistenz.
Besondere Aufmerksamkeit verlangt derzeit das Infektionsgeschehen in Deutschland. Erstmalig kam es innerhalb von Deutschland zur Übertragung von MDR-NG. Hierbei wurden bislang vier Urethritis-Infektionen mit multiresistenten Stämmen gemeldet und nachgewiesen. Alle Isolate stammen von symptomatischen Männern und zeigten eine Resistenz gegen Ceftriaxon, Cefixim, Azithromycin, Ciprofloxacin und Tetracyclin. Während die Ceftriaxon-Resistenz im niedrigen MHK-Grenzbereich bestand, lag für Azithromycin eine high level-Resistenz vor. Diese bisher bekannten Infektionen traten seit März 2025 alle in Nordrhein-Westfalen auf. Bei mehreren Patienten bestand ein heterosexueller Übertragungsweg und Kontakt zu Sexarbeit.
Im klinischen Kontext werden deshalb eine kulturelle Empfindlichkeitstestung (Antibiogramm), eine Kontrolle des Therapieerfolgs mittels NAAT ab zwei Wochen nach Behandlung an allen potenziell betroffenen Lokalisationen (Urethra oder Zervix, Rektum und Rachen) sowie die Benachrichtigung von Partnerinnen und Partnern zur Unterbrechung der Infektionskette dringend empfohlen.
Therapieempfehlungen für Gonorrhoe basieren auf der aktuellen globalen und lokalen Resistenzlage, der Pharmakodynamik/-kinetik verfügbarer Antibiotika und der Patientensituation. International gilt Ceftriaxon als Standard mit deutlichen Unterschieden in der Dosierung (250 mg-2 g). Bei nicht-adhärenten Patienten wird in Deutschland eine duale Therapie aus Ceftriaxon (1–2 g i.v. oder i.m.) und Azithromycin (1,5 g p.o. als Einzeldosis) empfohlen, die zugleich Koinfektionen erfasst, jedoch international kontrovers diskutiert wird. Für adhärente Patienten kann eine Einzeldosis Ceftriaxon (1–2 g i.v. oder i.m.) als Monotherapie erfolgen. Die nationale S2k-AWMF-Leitlinie Gonorrhoe wird aktuell überarbeitet.
Drei der vier autochthonen Infektionen mit MDR-NG konnten erfolgreich mit Ceftriaxon 2g i.v./ i.m. behandelt werden. Für den vierten Patienten gelang die Therapie-Nachverfolgung nicht. Eine Wirksamkeit, trotz nachgewiesener Resistenz, ist vermutlich durch die hohe Ceftriaxon-Dosierung bei relativ niedrigen Resistenzwerten möglich gewesen.
Angesichts der schwierigen therapeutischen Situation ist die Suche nach neuen Behandlungsansätzen sehr wichtig. Wegen hoher Tetrazyklin-Resistenzen bei N. gonorrhoeae (>90 %) ist in Deutschland Doxycyclin weder zur Behandlung noch zur Prophylaxe (PeP) der Gonorrhoe geeignet. Impfstrategien mit Meningokokken-Impfstoffen und adaptierten Impfstoffkandidaten erbrachten bisher keine überzeugenden Ergebnisse. Neue Substanzen, wie die first-in-class Topoisomerase-Inhibitoren Gepotidacin und Zolilflodacin, zeigen Wirksamkeit und stehen vor der Zulassung (Stand 09/25), allerdings wurden bereits erste Resistenzen und Therapieversagen beschrieben.
Fazit für die Praxis
Die Behandlung der Gonorrhoe bleibt eine Herausforderung für die klinische Praxis. Ceftriaxon gilt weiterhin als Standardtherapeutikum, während Azithromycin aufgrund der Resistenzentwicklung an Bedeutung verliert. Erstmalig wurden in diesem Jahr Übertragungen von multiresistenten Gonokokken innerhalb von Deutschland nachgewiesen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer konsequenten Empfindlichkeitstestung sowie Therapiekontrolle und darüber hinaus einer Partner:innenbenachrichtigung. Die Entwicklung neuer Substanzen und Therapieansätze zur Behandlung der Gonorrhoe ist zu begrüßen, muss jedoch kritisch begleitet werden.
Hinweis: Bei Nachweis eines multiresistenten N. gonorrhoeae-Isolates bitten wir um umgehende Information an das Konsiliarlabor für Gonokokken per mail unter KL-Gonokokken@rki.de, sowie um Meldung an das RKI über die Meldebögen gemäß § 7 Absatz 3 IfSG.
Zur Person:
Dr. med. Susanne Buder ist Chefärztin der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Klinikum Neukölln in Berlin. Außerdem leitet sie das Konsiliarlabor für Gonokokken am Robert Koch Institut (RKI), Berlin. Als langjähriges Mitglied der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG) ist sie seit 2022 Vizepräsidentin der DSTIG.
Literatur:
1. Selb R, Tlapák H, Klaper K, Buder S, Bremer V, Heuer D, Jansen K. Epidemiologie und Resistenzlage der Gonorrhö in Deutschland in den Jahren 2023 und 2024. Epid Bull 2025;38:3-23 | 10.25646/13419.2
2. Selb R, Buder S, Tlapák H, Jansen K, Heuer D. Fälle von Gonorrhö mit seltener Multiresistenz 2025. Epid Bull 2025;22/23:3-12 | DOI 10.25646/13177
3. Buder S, Schöfer H, Meyer T, Bremer V, Kohl PK, Skaletz-Rorowski A, Brockmeyer N. Bacterial sexually transmitted infections. J Dtsch Dermatol Ges. 2019 Mar;17(3):287-315. doi: 10.1111/ddg.13804.