Interview: Die Arbeit der Kontaktallergiegruppe

„Dauerhafte Detektivarbeit“ – neue Kontaktallergene aufspüren, Diagnostik optimieren und Qualität sichern: Die Arbeit der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG)
Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Richard Brans und Prof. Dr. med. Timo Buhl
Prädisposition und Exposition – in diesem Spannungsfeld beeinflussen verschiedene Faktoren das Entstehen von Allergien. Und dazu kommt der ständige Wandel der äußeren Einflüsse im beruflichen und privaten Umfeld, sich verändernde Lebensstile, Produktionsprozesse, Moden. Große Herausforderungen für diejenigen, dich sich mit der Erforschung der Kontaktallergien und des Kontaktekzems befassen wie beispielsweise die Expertinnen und Experten der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG), einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).
Frage: Herr Prof. Brans, wie verbreitet sind Kontaktallergien in Deutschland?
Prof. Richard Brans: Etwa 20% der allgemeinen Bevölkerung hat eine Spättypsensibilisierung gegenüber mindestens einem Kontaktallergen, was bei diesen Personen bei entsprechendem Allergenkontakt zu einer allergischen Reaktion führen kann. Auch wenn nicht alle Sensibilisierungen klinisch relevant sind, ist dies eine hohe Zahl von Betroffenen. Durch sich ändernde Allergenexpositionen unterliegt das Sensibilisierungsspektrum einem ständigen Wandel. Manche Kontaktallergien gehen im Verlauf der Jahre zurück (beispielsweise durch gesetzliche Vorgaben, die die Allergenexposition einschränken), während andere durch neue oder ausgeweitete Einsätze von Kontaktallergenen zunehmen.
Frage: Herr Prof. Buhl, welche Kontaktallergene aus der sogenannten Epikutantest-Standardreihe stehen ganz oben auf der „Hitliste“?
Prof. Timo Buhl: Am häufigsten wird in der Epikutantestung eine Sensibilisierung gegenüber Nickel festgestellt. Durch das breite Vorkommen von Nickel in Modeschmuck sind hiervon insbesondere Frauen betroffen. Bei etwa 20% der wegen Hautveränderungen getesteten Frauen wird eine Sensibilisierung gegenüber Nickel nachgewiesen, während hiervon nur etwa 7% der getesteten Männer betroffen sind. Weitere häufig in der Epikutantestung nachgewiesene Sensibilisierungen richten sich gegen andere Metalle (Kobalt, Chromat), Duftstoffe, Konservierungsmittel und Gummi-Inhaltsstoffe.
Frage: Der diagnostische Standard zum Nachweis einer bestehenden allergischen Kontaktdermatitis ist der Epikutantest. Auf der DKG-Webseite finden sich dazu Testreihen. Wie sind diese zustande gekommen und wie können sie im dermatologisch-allergologischen Alltag angewendet werden.
Prof. Richard Brans: Bei der Epikutantestung wird immer die sogenannte Standardreihe getestet. Diese beinhaltet die wichtigsten Kontaktallergene, die weit verbreitet vorkommen und/oder am häufigsten Spättypsensibilisierungen verursachen. Derzeit enthält die DKG-Standardreihe 28 Allergene sowie als Irritationskontrolle Natriumlaurylsulfat. Basierend auf den anamnestischen Angaben zu möglichen relevanten Expositionen werden bei der Epikutantestung weitere Testreihen ausgewählt, in denen die Testallergene thematisch (z. B. Beruf, Allergengruppe) zusammengefasst sind. Eine Kernaufgabe der DKG bei den regelmäßigen Zusammenkünften (und in enger Zusammenarbeit mit dem Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK)) ist es, die Zusammensetzung der verschiedenen DKG-Testreihen zu besprechen und zu aktualisieren. Hierbei werden insbesondere die Sensibilisierungsraten aus den Vorjahren, neue Entwicklungen im Vorkommen und in der Verbreitung von Kontaktallergenen sowie die Verfügbarkeit von kommerziellen Epikutantestsubstanzen berücksichtigt. Eine besonders wichtige Grundlage für die Entscheidungen stellt die Datenbank des IVDK dar, in der die Epikutantestergebnisse der angeschlossenen Kliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt werden und mit deren Auswertung relevante Trends im Vorkommen von Spättypsensibilisierungen festgestellt werden.
Frage: Gibt es jenseits der Allergenkarenz als Ansatz, um einen Kontaktallergie zu vermeiden, neue therapeutische Entwicklungen?
Prof. Timo Buhl: Entscheidend für die Vermeidung einer kontaktallergischen Reaktion ist in der Tat die Identifikation und Meidung des auslösenden Allergens. Neben individuellen Maßnahmen wie Austausch oder Meidung von Produkten, die das Allergen enthalten, oder Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung (z. B. Schutzhandschuhe) im Umgang mit allergenhaltigen Produkten, sind insbesondere bei einer weiten Allergenverbreitung auch gesetzliche Vorgaben zur Begrenzung oder zum Verbot des Einsatzes von Allergenen in bestimmten Produkten zielführend. Nach derzeitigem Kenntnisstand bleiben Kontaktallergien lebenslang bestehen. Therapeutische Ansätze zielen daher bislang in erster Linie auf die Behandlung der bei Sensibilisierten nach Allergenkontakt auftretenden kontaktallergischen Reaktionen ab. Hierbei handelt es sich zumeist um allergische Kontaktekzeme, zu deren Behandlung therapeutische Wirkstoffe eingesetzt werden, die u. a. auch zur Behandlung des Handekzems oder der atopischen Dermatitis Verwendung finden. Es gibt entsprechend Daten, die belegen, dass u. a. neue Biologika zur Blockade von IL-4 und/oder IL-13 sowie Januskinaseinhibitoren auch in der Behandlung des allergischen Kontaktekzems wirksam sein können. Gerade bei den selektiven Wirkmechanismen der Biologika ist allerdings mutmaßlich das Ansprechen von Allergen zu Allergen sehr unterschiedlich.
Frage: Die DKG arbeitet eng mit „benachbarten“ AGs wie beispielsweise der AG Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit dem Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) auf dem Gebiet der Datenerfassung und Epidemiologie. Wie sehen diese Kooperationen in Detail aus?
Prof. Richard Brans: Mit der ABD ergeben sich Überschneidungen dadurch, dass allergische Kontaktekzeme zu den häufigsten beruflich bedingten Hauterkrankungen zählen und mit einer ungünstigen Prognose zum Verbleib im Beruf einhergehen. Somit haben Empfehlungen zur berufsspezifischen Testung von DKG-Reihen und deren Zusammensetzung eine besondere Bedeutung in der Berufsdermatologie. Zudem ist bei gutachterlichen Fragestellungen die Bewertung der Auswirkung einer beruflich bedingten Allergie bei der Berufskrankheit(BK)-Nr. 5101 entscheidend für die Einschätzung einer Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) und die Bewertung des Unterlassungszwangs im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit. Diese Themenbereiche werden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe (AG Bewertung der Allergene bei BK 5101) erörtert und hierzu Empfehlungen ausgesprochen (https://www.abderma.org/arbeitsgruppen/allergenbewertung/).
Mit demIVDK besteht seit vielen Jahren eine sehr intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit. Im IVDK werden die Ergebnisse der Epikutantestung mit einhergehenden Angaben zu den getesteten Personen aus derzeit 56 angeschlossenen Kliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt und nach einer Qualitätskontrolle ausgewertet. Die meisten Vertreterinnen und Vertreter der im IVDK kooperierenden Hautkliniken sind auch Mitglied in der DKG, so dass hierüber gemeinsame multizentrische Forschungsprojekte geplant und durchgeführt werden können. Im Mittelpunkt stehen hierbei insbesondere Projekte zur Epidemiologie von Kontaktallergien und zur Optimierung der Epiktuantestung. Zudem werden gemeinsam mit dem IVDK Testempfehlungen ausgesprochen und die Zusammensetzung der Testreihen aktualisiert.
Frage: Auf welche Erfolge blickt die AG zurück?
Prof. Richard Brans: Die DKG wurde 1987 und der IVDK 1988 gegründet. Gemeinsam wurden über die vielen Jahre erfolgreich wissenschaftliche Projekte zur Erforschung der Kontaktallergie und des Kontaktekzems durchgeführt. Die Ergebnisse wurden auf zahlreichen nationalen und internationalen Tagungen und Kongressen vorgestellt. Zudem wurden bislang über 600 gemeinsame Publikationen erstellt und in Fachzeitschriften veröffentlicht (https://dkg.ivdk.org/publikationen.html).
Durch das fortlaufende Monitoring werden immer wieder problematische Allergenexpositionen und Anwendungsbereiche aufgedeckt, für die bei zunehmenden Sensibilisierungszahlen Regulierungsmaßnahmen dringend erforderlich werden. Die publizierten Daten werden entsprechend von der Industrie, Berufsgenossenschaften und regulatorischen Behörden genutzt, um Entscheidungen über die Begrenzung der Exposition gegenüber problematischen Allergenen zu treffen. Anhand des Monitorings mit Nachweis rückläufiger Sensibilisierungsraten kann wiederum festgestellt werden, dass diese Regulierungsmaßnahmen erfolgreich sind.
Gute Beispiele hierfür sind u. a. die gesetzliche Begrenzung des Konservierungsmittels Methylisothiazolinon in Kosmetika oder von hexavalentem Chrom in Zement. Somit leisten die DKG zusammen mit dem IVDK einen wichtigen Beitrag, die Zahl allergischer Erkrankungen zu vermindern und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.
Anhand der erhobenen Daten wird zudem die diagnostische Trennschärfe von Epikutantestsubstanzen ermittelt, was zur Optimierung der Testsubstanzen (etwa Anpassung von Testkonzentrationen) beiträgt. Durch die regelmäßig aktualisierten Empfehlungen zur Zusammensetzung der Epikutantestreihen und zu den Testmodalitäten ist es zudem über die Jahre hinweg gelungen, die diagnostische Abklärung von Kontaktallergien zu verbessern und deren Qualität auch vor dem Hintergrund der sich ständig ändernden Allergenexposition zu sichern. Hierzu trägt auch die aktive Mitwirkung der DKG bei der Erstellung von Leitlinien bei. So wurden die derzeit gültigen AWMF-Leitlinien zum Kontaktekzem und zur Durchführung des Epikutantests mit Kontaktallergenen und Arzneimitteln federführend durch die DKG erstellt.
Frage: Welche aktuellen Aktivitäten und Projekte stehen an?
Prof. Timo Buhl: Laufende multizentrische wissenschaftliche Projekte der DKG und des IVDK beschäftigen sich derzeit u. a. mit der diagnostischen Abklärung von Unverträglichkeitsreaktionen auf Tätowierungen und Permanent Make-up, dem Einfluss von immunmodulierenden Wirkstoffen auf die Epikutantestung und der Epikutantestung von neuen zur Haarfärbung eingesetzten Substanzen. Das nächste Symposium der DKG (Frühjahrssymposium) mit einhergehender Mitgliederversammlung findet am 19./20.04.2024 am Paul-Ehrlich-Institut in Langen statt. Dort werden Forschungsprojekte besprochen und die DKG-Testreihen aktualisiert. Derzeit gibt es leider erhebliche Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von kommerziellen Epikutantestsubstanzen. Die DKG ist daher im engen Austausch mit den Herstellern, Behördenvertretern und anderen Fachgesellschaften, um die Verfügbarkeit zu verbessern.
Frage: Welche Voraussetzungen müssen DDG-Mitglieder mitbringen, um sich in die Arbeit der AG einzubringen und Mitglied zu werden?
Prof. Richard Brans: Grundvoraussetzung für die Mitarbeit ist eine klinisch-praktische oder wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Kontaktallergien und des Kontaktekzems. Zum Erwerb der ordentlichen Mitgliedschaft bedarf es satzungsgemäß eines schriftlichen Antrags an den Vorsitzenden/die Vorsitzende. Mit dem Antrag ist eine kurze Darstellung des beruflichen Werdegangs einschließlich Literaturverzeichnis einzureichen. Über den Antrag entscheidet der Vorstand. Eine aktive Mitarbeit bei den regelmäßigen Zusammenkünften der DKG wird vorausgesetzt. In der DKG sind überwiegend Dermatologinnen und Dermatologen aktiv, aber auch andere Ärzte und Ärztinnen und Forschende mit allegologischer Expertise. Auch ohne Mitgliedschaft kann man als Gast in der DKG mitwirken. Dies steht allen Interessierten offen, z. B. auch Ärzten und Ärztinnen in der Weiterbildung oder anderem medizinischem Fachpersonal. Wir freuen uns über Anfragen, die gerne an uns beide oder an die Schriftführerin der DKG, PD Dr. med. Nicola Wagner gerichtet werden können. Die Kontaktdaten finden sich auf der Homepage der DKG (https://dkg.ivdk.org/dkgabout.html).
Vielen Dank für das Interview!
Zu den Personen:
Prof. Dr. med. Richard Brans ist Vorsitzender der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG) und Leitender Oberarzt am Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation (iDerm) an der Universität Osnabrück.
Prof. Dr. med. Timo Buhl ist 1. stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG) und Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Göttingen.