
Leidenschaften verbinden: Sehen und Verstehen in Dermatologie und Kunst
Ein Porträt des früheren DDG-Präsidenten Prof. Dr. med. Rudolf Stadler
„Öffnet man die Augen, wird jeder Tag zum Erlebnis.“
Oskar Kokoschka, Maler, Graphiker, Dichter (1886-1980)
Wenn wir Form, Textur, Farbe, Ausprägung, Proportionen, Begrenzungen einer „Fläche“ betrachten, beginnt sofort ein intellektueller (und manchmal auch) emotionaler Prozess, um zu deuten, einzuordnen und zu systematisieren. Diese Begriffe sind eng verbunden mit der dermatologischen Diagnostik, aber auch mit der Kunst und im Besonderen mit der Malerei. Für Rudolf Stadler, der bis zum Frühjahr 2021 die Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Phlebologie im Johannes Wesling Klinikum Minden leitete, ist die Hinwendung zu und das Sammeln von moderner Kunst mehr als ein Hobby.
Der Reiz des Sammelns besteht in einem stetig systematischer werdenden Prozess von Sehen, Sichten und Auswählen, bei dem das einzelne Stück im Kontext des bereits Gesammelten sich einfügt und bedeutsam wird. Oft sind es dabei noch „unbekannte“ Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke das Interesse des „geschulten Auges“ wecken, das wiederum geprägt ist durch eine grundsätzliche Offenheit für Neues.
Diese Offenheit gegenüber Neuem brachte Rudolf Stadler auch zur Dermatologie. Auf der Suche nach einem Dissertationsthema erhielt er das Angebot, in der Hautklinik der Universität Köln eine experimentell-elektronenmikroskopische Arbeit zur natürlichen Alterung der Haut zu übernehmen. Einen entscheidenden Impuls dürfte in dieser Zeit sein Doktorvater, Prof. Dr. med. Orfanos, gegeben haben. Durch dessen inspirierende Art war das Interesse für die Dermatologie geweckt und Stadler begann eine Assistenzarztausbildung im Fachgebiet Dermatologie in Berlin.
Was aber macht nun einen außergewöhnlichen Dermatologen aus? Neben der großen medizinischen Kompetenz und besonderen Leistungen in einzelnen Forschungsbereichen – ein Schwerpunkt seiner dermatologischen Arbeit ist das Thema Hautkrebs und im Speziellen die Diagnostik und Therapie der kutanen Lymphome – ist es am ehesten wohl eine besondere Haltung: Durch Fleiß und Stringenz das Positive zu sehen und immer nach vorne zu blicken. Mit seiner umfassenden dermatologischen Ausbildung vertritt Rudolf Stadler das Fachgebiet Dermatologie in seiner Diversität als Ganzes. Warum das wichtig ist, beantwortete Stadler in der für ihn so typischen sympathischen Weise damit, dass es ihm auf diese Weise möglich war, vielen Patientinnen und Patienten wirklich zu helfen.
Rudolf Stadler wurde 1953 in Linz an der Donau geboren. Er studierte Human-Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Köln und schloss dort 1979 sein Studium mit der Promotion zu dem Thema „Elektronenmikroskopische Untersuchungen der elastischen Fasern der Haut in Abhängigkeit vom Alter“ ab. Im Jahr 1980 begann er sein Facharztausbildung für Dermatologie an der Universitäts-Hautklinik und Poliklinik, Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin (Direktor: Prof. Orfanos). Es folgte 1982 ein Postdoctoral Fellowship in „Cellular and Molecular Dermatology“ im Department of Dermatology, University of Michigan, Ann Arbor.
Nach seiner Rückkehr nach Berlin 1983 wurde er zum Hochschulassistenten an der Freien Universität Berlin ernannt. 1984 erhielt er die Anerkennung als Facharzt für Dermatologie und Venerologie und übernahm im selben Jahre eine Oberarztstelle an der Steglitzer Universitäts-Hautklinik. 1987 habilitierte er sich und wurde zum Privatdozenten ernannt.
1987 war Stadler der Sekretär des 17. Weltkongresses für Dermatologie (WCD), der in Berlin ausgerichtet wurde. Ein bedeutsamer Kongress, da er die dermatologische Landkarte in Deutschland bereicherte: Aus dem Erlös des WCD ist die Berliner Stiftung für Dermatologie entstanden, in der Stadler über lange Zeit im Kuratorium tätig war. Die Stiftung hat einen dezidiert internationalen Ansatz und fördert u. a. die dermatologische Versorgung in Schwellenländern mit dem Schwerpunkt Afrika und vergibt Stipendien für junge Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland.
1989 wurde Stadler zum Universitäts-Professor und stellvertretenden Leiter der Universitäts-Hautklinik und Poliklinik, Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin ernannt. 1990 übernahm er als noch junger Chefarzt die Leitung der Hautklinik am Klinikum Minden und entwickelte das kommunale Haus zu einer Universitätsklinik für Dermatologie weiter. Ein Erfolg, der ihn – so berichtete er es in einem Interview – mit „besonderer Zufriedenheit“ erfülle. Den Namen für das jungen Universitätsklinikum schlug Stadler vor: „Johannes Wesling Klinik“. Erinnert wird damit an den in Minden geborenen Wissenschaftler und in Padua verstorbenen Professor für Chirurgie, Anatomie und Pharmakologie. Seit Juli 2016 ist das Johannes-Wesling-Klinikum Minden Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.
Von 2011 bis 2013 war Stadler Präsident der DDG. In seine Amtszeit fielen die Tagungen in Dresden. In diesem Kongresskontext realisierte Stadler zusammen mit Studierenden der Hochschule für bildende Künste Dresden ein Kunstausstellung zum Thema Haut, mit dem sich die beteiligten Künstlerinnen und Künstler auf unterschiedlichste Weise auseinandersetzten und viele Denkanstöße boten.
Nach 31 Jahre endete 2021 seine Zeit als Chefarzt der Mindener Hautklinik. Allerdings bleibt seine Expertise dem Universitätsklinikum erhalten, da er innerhalb der Klinik die Dermatopathologie leitet.
Von 2005 bis 2017 war Rudolf Stadler aktives Mitglied im Präsidium der DDG. Als langjähriges Mitglied im Vorstand der DDG und jetzt als Alt-Präsident hat er die moderne Ausrichtung des Faches vorangetrieben und er bereichert mit seinen mannigfaltigen Erfahrungen und Kenntnissen die Arbeit des Gremiums. Zugleich sorgt er über die Landesgrenzen hinweg als Delegierter der DDG in der Österreichischen Dermatologischen Gesellschaft für einen intensiven und regelmäßigen Austausch beider Fachgesellschaften.
Zur Vertiefung des Themas „Dermatologie und Kunst“ eineLiteratur-Tipp:
DermARTologie/DermARTtology
Das Inkarnat. Die Haut in der bildenden Kunst
Von Günter Burg, Michael Geiges und Cathrine Hug
Springer Verlag. 2022.