„Patientensicherheit ist mehr als die bloße Abwesenheit von Behandlungsfehlern“
Interview mit Prof. Peter Elsner zum Zertifikat „Patientensicherheit in der Dermatologie“ der Deutschen Dermatologischen Akademie (DDA)
Frage: Was macht eine Zertifizierung zum Thema Patientensicherheit aus Ihrer Sicht notwendig?
Prof. Elsner: „Primum non nocere“ ist der moralische Kern ärztlichen Handelns und ein zentrales medizinethisches Prinzip. Die Ärztin oder der Arzt ist verpflichtet, Patienten nicht zu schaden. Aus diesem Prinzip der „Non-Malefizenz“ leitet sich die Verpflichtung ab, Behandlungsfehler und daraus resultierenden Schaden für die Patientin oder den Patienten zu vermeiden. Leider wurde die Existenz von Behandlungsfehlern von der Medizin lange Zeit verleugnet oder bagatellisiert. Das hat sich zum Glück geändert und es wird mittlerweile anerkannt, dass es „vermeidbare unerwünschte medizinische Ereignisse“ (VUME) gibt, die definiert werden als „Patienten schadende Vorkommnisse, die eher auf der Behandlung als auf der Erkrankung selbst beruhen und die durch einen Fehler verursacht sind“.
Um die Patientensicherheit zu stärken, braucht es gemeinschaftliches Handeln und gute Konzepte. Diese müssen auf die jeweilige Fachrichtung (und letztendlich auf die jeweilige Einrichtung oder Praxis) zugeschnitten sein und alle an der Behandlung Beteiligten einbeziehen. Zugleich müssen Transparenz und Mut als Grundhaltungen in der Kommunikation untereinander etabliert werden. Wenn es zu Fehlern kommt, müssen diese benannt und sichtbar gemacht werden. Das 2005 gegründete „Aktionsbündnis Patientensicherheit“, das unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Gesundheit steht und zahlreiche medizinische Verbände und Patientenorganisationen sowie Krankenkassen und die Politik vernetzt, bringt es auf den Punkt: „Das wichtigste Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit ist daher das gemeinsame Lernen aus Fehlern.“
Auch wenn in der Dermatologie Fehler vermutlich seltener vorkommen kommen als in anderen, noch mehr operativ ausgerichteten Disziplinen, ist die Patientensicherheit ein zentrales Thema auch für uns. Hinzu kommt, dass VUME neben einer ethischen auch eine rechtliche Dimension haben. Patientensicherheit ist ein Schwerpunkt der Gesundheitspolitik, und die Bundesregierung hat festgelegt, dass Patientensicherheit zu einem tragenden Prinzip der Ausbildungen in allen bundesrechtlich geregelten Gesundheitsberufen werden soll.
Die Deutsche Dermatologische Akademie (DDA) hat sich daher entschlossen, für diese zunehmend wichtiger werdenden Aspekte der Medizin ein Fortbildungsangebot zu entwickeln, dass die gesamte Breite des Themas Patientensicherheit für die Arbeit in der Dermatologie aufgreift und hilft, praktische Konzepte für die Stärkung der Patientensicherheit zu etablieren.
Frage: An wen richtet sich das Angebot?
Prof. Elsner: Das Zertifikat können sowohl Dermatologinnen und Dermatologen als auch medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte in dermatologischen Kliniken und Praxen erwerben.
Frage: Was sind die konkreten Inhalte des Zertifizierungs-Curriculums?
Prof. Elsner: Das qualitätsgesicherte Zertifikat „Patientensicherheit in der Dermatologie (DDA)“ vermittelt Theorie und Praxis des Patientensicherheitsmanagements in der Dermatologie. Angeboten wird die Zertifizierung als ganztägiges Modul mit acht Stunden. Auch eine Aufteilung
in Halbtage ist möglich, wie wir es bei anderen Zertifikaten im Rahmen größerer Fortbildungsveranstaltungen auch anbieten.
Zunächst wird das Thema Patientensicherheit aus medizinischer, insbesondere medizinethischer,
und aus juristischer Sicht beleuchtet. Dann werden Fehler produzierende Bedingungen und das Fehlerverständnis als komplexes Ineinanderwirken von Risiken und Schutzmaßnahmen im klinischen Alltag in den Blick genommen. Typische Fehlerkonstellationen in der konservativen und operativen klinischen Dermatologie und eine Behandlungsfehlerprävention als aktiver Beitrag zur Patientensicherheit schließen sich an. Nach diesem Analyseteil geht es darum zu erarbeiten, wie eine Sicherheitskultur etabliert werden kann und wie sich Leitung und Team hier einbringen müssen. Abgeschlossen wird das Seminar mit einer Erfolgskontrolle (CME-Fragen). Der Seminartag wird über die Landesärztekammer und die DDA mit neun Punkten zertifiziert. Nach Meldung an die zuständige Ärztekammer kann das Zertifikat im Praxisschild, im Briefkopf und auf der Praxis-Homepage geführt werden.
Frage: Wie und wo kann die Zertifizierung erworben werden und wann muss sie aktualisiert werden?
Prof. Elsner: Es ist vorgesehen, dass die Teilnehmerin oder der Teilnehmer alle fünf Jahre einen zweistündigen Qualitätszirkel besucht, in dem aktuelle Entwicklungen im Bereich der Patientensicherheit anhand von Falldiskussionen thematisiert werden. Damit kann das Zertifikat dann erhalten werden. Das Zertifikat ist brandneu – ich hoffe, dass wir bald aktuelle Termine auf der Webseite der DDA veröffentlichen können. Möglicherweise wird im Rahmen der DDG-Tagung 2023 auch ein Zertifikatskurs angeboten werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Literatur:
Peter Elsner P, Fritz K. Zertifizierung: „Patientensicherheit in der Dermatologie (DDA)“. Akt Dermatol. 22.12.2021 (online) DOI 10.1055/a-1699-8765
Weitere Informationen zum Zertifikat
Das APS-Weißbuch Patientensicherheit: Wegweiser für zentrale Verbesserungen der Patientenversorgung. Hrsg. vom Aktionsbündnis Patientensicherheit. 2018.