An der Klinik arbeiten und forschen
Durch das Clinician Scientist Program (CSP) translationale Forschungsprojekte voranbringen
Im Interview berichtet Dr. med. Kira Süßmuth von ihren ersten Erfahrungen als Clinician Scientist und der besonderen Faszination der Ichthyosen.
„Das Clinician Scientist Program ermöglicht mir, meine translationalen Forschungsprojekte in den Klinikalltag an einer Universitätsklinik zu integrieren. Die Forschungszeit hat meinen Wunsch bestärkt, weiterhin Klinik und Forschung zu verbinden und mich für die Genodermatosen einzusetzen.“ Kira Süßmuth
Dr. med. Kira Süßmuth, die sich in ihren Forschungen vor allem mit Ichthyosen befasst, ist eine von insgesamt fünf Clinician Scientists der CSP (Förderungsperiode 2022/23 ) von DDG, ADF und der Deutschen Stiftung für Dermatologie. Sie ist Fachärztin an der Hautklinik des Universitätsklinikums Münster (UKM). Seit Mai 2022 kann sie sich dank der „geschützten Forschungszeit“ auf die wissenschaftliche Tätigkeit konzentrieren. Das CSP wird von den Firmen AbbVie, Almirall, Lilly, Leo, UCB, Sanofi, Janssen-Cilag und dem Stifterverband unterstützt.
Frage: Frau Dr. Süßmuth, Sie sind eine der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Clinician Scientist Program (CSP) 2022/23 der Deutschen Stiftung für Dermatologie. Was hat Sie motiviert, sich für das Programm zu bewerben?
Dr. Kira Süßmuth (KS): Ich hatte mich bereits im Jahr davor für das Clinician Scientist Program beworben, aber leider keine Zusage bekommen. Daraufhin entwickelte ich im Laufe des Jahres neue Projektideen. Die Oberärzte meiner Klinik, insbesondere mein Mentor Priv.-Doz. Dr. med. Vinzenz Oji, haben mich ermutigt, das aktuelle Projekt einzureichen. Ichhatte immer den Wunsch, mehr Zeit für die Forschung zu haben, um Methoden im Labor selbst zu erlernen und mich noch besser in die Materie einzuarbeiten.
Frage: Die durch das CSP mögliche Forschungszeit begann im Mai 2022. Wie erleben Sie diese Form des Forschens im klinischen Setting?
KS: Das Forschen im klinischen Alltag ist eine große Bereicherung und gleichzeitig eine neue Herausforderung. Sich selbst im Labor zu organisieren, Arbeitsprogramme und Protokolle zu erstellen, ist ein anderes Arbeiten als in der Sprechstunde oder auf der Station. Ich persönlich profitiere sehr davon. Ich kann mich nun meinem aktuellen Forschungsprojekt viel intensiver widmen und begonnene Projekte aus den vergangenen Jahren finalisieren.
Frage: Bereits in Ihrer Promotion beschäftigten Sie sich mit Ichthyosen. Was macht die eher seltenen Genodermatosen so interessant als Forschungsgegenstand?
KS: Ichthyosen sind eine sehr heterogene Erkrankungsgruppe. Es gibt sowohl milde Varianten, als auch schwere Subtypen, die z.T. syndromale Manifestationen zeigen. Ich finde es spannend, sich mit Erkrankungen zu beschäftigen, die auch extrakutane Manifestationen zeigen. Es ist zudem erstaunlich, dass auch Patientinnen und Patienten mit milderen Varianten subjektiv häufig schwer betroffen sind von der Ichthyose. Durch verminderte oder fehlende Schwitzfähigkeit und tägliche intensive Pflege der Haut sind sie oft sehr belastet durch ihre Erkrankung. Es besteht sowohl bei den milden als auch den schweren Subtypen dringender Handlungsbedarf, die Versorgungssituation zu optimieren und sich neuen Therapiemöglichkeiten zu widmen.
Frage: In Ihrem aktuellen Projekt steht ein Subtyp der kongenitalen Ichthyose im Fokus: Das Netherton-Syndrom. Wodurch zeichnet es sich aus und was ist das Ziel des Forschungsprojekts?
KS: Das Netherton-Syndrom ist eine angeborene Ichthyose. Ursächlich sind Mutationen im SPINK5-Gen, die für den Serinproteaseinhibitor LEKTI kodieren. Aufgrund einer erhöhten Serinproteaseaktivität treten neben entzündlichen, schuppenden Hautveränderungen und Haarschaftanomalien in der Regel auch eine Atopie mit diversen Allergien auf. Die Patientinnen und Patienten leiden häufig unter starkem Pruritus. Sie neigen zu gastrointestinalen, respiratorischen Infekten und Superinfektionen an der Haut. Viele der ansonsten für die Ichthyose zugelassenen und empfohlenen Therapien sind für das Netherton-Syndrom ungeeignet.
Wir betreuen in unserer Sprechstunde viele Kinder. Daher stellt diese Erkrankung eine besondere therapeutische Herausforderung dar. Das Netherton-Syndrom ist eine sehr heterogene Erkrankung. Daher möchte ich mit meinem aktuellen Projekt die Phänotyp-Genotyp-Korrelationen des Netherton-Syndroms weiter ausarbeiten, hautphysiologische Messungen und Analysen zu immunologischen Markern im Blut durchführen. Ein weiteres Ziel ist es zu ermitteln, welche bereits für andere Erkrankungen zugelassenen Medikamente für unsere Patientinnen und Patienten hilfreich sein könnten.
Langfristig möchten wir außerdem Untersuchungen zu einer möglichen Proteinersatztherapie für das Netherton-Syndrom durchführen. Wir haben in unserer Arbeitsgruppe bereits mit der Proteinexpression und –aufreinigung von LEKTI begonnen und werden im nächsten Schritt mögliche Formulierungen testen.
Frage: Sie betreuen zusammen mit Ihrem Kollegen, Priv. Doz. Dr. med. Vinzenz Oji, die Genodermatosen-Sprechstunde am UKM. Wie wirken sich diese Erfahrungen auf Ihre Forschungstätigkeit aus?
KS: Die Genodermatosen-Sprechstunde bestätigt mir jede Woche erneut den Eindruck, dass wir die Therapieoptionen für Patientinnen und Patienten mit einer Ichthyose dringend verbessern müssen. Zwar zählen die meisten Genodermatosen zu den seltenen Erkrankungen, aber in der Gesamtheit gibt es viele Betroffene mit vererbbaren Verhornungsstörungen, die z.T. schwere Manifestationen zeigen.
Frage: Was bedeutet das Clinician Scientist Program für Sie? Was ist Ihr Zwischenfazit?
KS: Das Clinician Scientist Program ermöglicht mir meine translationalen Forschungsprojekte in den Klinikalltag an einer Universitätsklinik zu integrieren. Die Forschungszeit hat meinen Wunsch bestärkt, weiterhin Klinik und Forschung zu verbinden und mich für die Genodermatosen einzusetzen.
Vielen Dank für das Gespräch!